Milena Michiko Flašar
Ich nannte ihn Krawatte
Wagenbach Verlag
Ein junger Mann und ein Büroangestellter treffen eines morgens in einem Park einer japanischen Großstadt aufeinander. Der junge Mann hat davor sein Zimmer in der Wohnung seiner Eltern 2 Jahre lang freiwillig nicht verlassen, und sitzt nun erstmals wieder im Freien, im nahegelegenen Park auf einer Bank. „Hikikomori“ werden diese jungen Menschen genannt, die das Haus der Eltern nicht verlassen und sich in ihrem Zimmer einschließen, weil sie sich auf dem Weg zum Erwachsenwerden dem Leistungs- und Anpassungsdruck der Gesellschaft nicht gewachsen fühlen. Ein in Japan sehr häufiges Phänomen.
Der andere ist ein „Salaryman“, ein Firmenangestellter, der gekündigt wurde und es nicht übers Herz bringt, seiner Frau mitzuteilen, dass er keine Arbeit mehr hat. Und so hält er den Anschein aufrecht, indem er jeden Tag mit seiner Lunchbox von zu Hause den Park aufsucht, um dort die Zeit bis zum Abend zu verbringen.
So unterschiedlich sie auch beide sind, haben sie eines gemein: beide sind Einzelgänger, die aus der Norm gefallen sind. Indem sie einander kennenlernen und ihre Geschichten erzählen, findet jeder für sich langsam wieder zurück ins Leben.
Eine berührende, tiefgehende und kurzweilige Geschichte zu einem für europäische Sichtweisen außergewöhnlichen Thema, die nachdenklich macht und uns auf die Schattenseiten unserer modernen Leistungsgesellschaft aufmerksam macht – nicht nur in Japan.
Milena Michiko Flašar, geb.1980 in St. Pölten, hat Komparatistik, Germanistik und Romanistik studiert und ist die Tochter einer japanischen Mutter und eines österreichischen Vaters. Sie lebt als Schriftstellerin in Wien und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache.