Weiß – die Mutter aller Farben
Unschuld, Reinheit, Friede, Weisheit und Unendlichkeit – das ist nur eine kleine Auswahl der Begriffe, mit denen Weiß assoziiert wird. Weiß ist – nach Meinung des Geheimrats Johann Wolfgang von Goethe – die vollkommenste aller Farben, denn Weiß birgt alle Farben in sich. Weiß war immer die Farbe des Mystischen, des Heiligen, es steht für Leben und Tod, für den unendlichen Kreislauf des Lebens.
Der Winter steht vor der Tür und wir freuen uns auf den ersten Schnee. Wenn die Landschaft mit einer weißen Decke wie verwandelt ist, die Geräusche leiser werden und sich das Leben verlangsamt. Das Weiß des Schnees macht die Nächte hell und stimmt uns friedlich. Weiße Weihnachten – egal ob in den Medien oder in persönlichen Gesprächen, viele von uns sehnen sich danach. Wenn Stadt und Land in der weißen Pracht verhüllt sind, scheint alles leichter, reiner und stiller. Weiß – eine magische Farbe, die uns seit Beginn der Zeit verzaubert.
Weiß ist die Farbe der Leere und Nichts und lässt uns daher viel Raum für Kreativität und Phantasie. Ein weißer Fleck auf der Landkarte steht für unbekannte Gegenden – es bleibt unserer Phantasie überlassen, was sich dahinter verbirgt. Eine weiße Leinwand ist eine Spielwiese für unsere Kreativität und ein weißes, weil unbeschriebenes Blatt hat Platz für die wunderbarsten Geschichten. Weiß, das beinhaltet immer wieder unenedlich viele Möglichkeiten. Das Sonnenlicht, das uns weiß erscheint, birgt das komplette Farbspektrum in sich. Physikalisch betrachtet spricht man von der subtraktiven Farbmischung. Die Farben des Regenbogens werden auch nur dadurch sichtbar, dass das weiße Sonnenlicht durch die Regentropfen in seine einzelnen Farben „aufgeteilt“ wird. Aber genau genommen ist Weiß keine Farbe, es gehört wie Schwarz und Grau zur Gruppe der unbunten Farben. Damit wir Weiß sehen, müssen im Auge der Rot-, Grün- und Blaurezeptor gleichermaßen gereizt werden.
Unschuld, Friede, Weite, Kälte, Reinheit, Helligkeit – das sind die ersten Assoziationen, die uns in den Sinn kommen, wen wir nach der Farbe Weiß gefragt werden. Weiß hat die Menschheit schon von Anbeginn der Zeiten fasziniert. So wurden in der Frühzeit der menschlichen Geschichte die Toten weiß angemalt, um sie vor Dämonen zu schützen, später wurden die Toten in weiße Tücher gewickelt. Im alten Ägypten war Weiß der Herold der Sonne und der weiße Stier Buchis der Repräsentant des Sonnengottes Ra. In der christlichen Tradition wird Weiß oft mit dem göttlichen Licht assoziiert und verkörpert die Erleuchtung, das Vollkommene und die Auferstehung. Im Englischen gibt es den Begriff „White Lies“ – sinngemäß übersetzt mit „Lüge aus Höflichkeit“ oder auch Notlüge. Also eine Lüge, die positiv bewertet wird.
Im westlichen Kulturkreis steht Weiß für den Uranfang der Welt und des Lebens. Es steht einerseits für Unschuld aber auch für Verführung. Im Mittelalter wurde zum Beispiel wurde eine Person, die ein weißes Hemd trug, als nackt angesehen, denn das weiße Hemd wurde mit – der damals – hoch-sexuellen weißen Haut gleichgesetzt. Die Damen im Mittelalter wussten das bewusst einzusetzen. Das weiße Brautkleid kam erst mit der Hochzeit von Queen Victoria 1840 in Mode. Davor trugen Bräute einfach ihre besten Kleider. Auch in der Traumdeutung ist Weiß das Zeichen der Reinheit und der Unschuld und verweist den Träumer auf die Integration seiner inneren Gegensätze.
Weiß ist auch die Farbe der Macht. Hohe Würdenträger trugen zu besonderen Anlässen weiße Gewänder. Noch heute tragen Ärzte und Wissenschaftler Weiß. Nicht umsonst werden diese Berufsgruppen „Götter in Weiß“ genannt. In der katholischen Kirche tragen die Priester zu besonders hohen liturgischen Feiern weiß. Der Pabst ist hier die Ausnahme: er kann, als höchste Autorität in der Kirche, immer weiß tragen.
Im asiatischen Raum wird Weiß mit Trauer und Tod in Verbindung gebracht. Wobei, wenn man genauer hinsieht, ist Weiß die Farbe der Transzendenz und Transformation. Denn der Tod ist hier nur der Abschied aus dem irdischen Leben und der Beginn von etwas Neuen. Weiße Trauerkleidung ist in weiten Teilen Asiens üblich, in Japan ist eine weiße Nelke das Zeichen der Trauer. Hinduistische Priester bedecken sich mit weißer Asche als Symbol der spirituellen Wiedergeburt und Saraswati, die Göttin der Weisheit, des Intellekts und der Künste wird meistens in einem weißen Gewand auf einer weißen Lotusblüte dargestellt. Im Feng Shui steht Weiß für das Vollkommene und repräsentiert das Yang, das männliche Prinzip.
Der Farbe Weiß werden 3 Grundbedeutungen zugeschrieben: dem Göttlichen, dem Zauber und der Sexualität. Wer kennt sie nicht, die weißen Zauberinnen aus den mythologischen Erzählungen, Die Mond- und Sonnengöttinnen, der Heilige Geist in der Darstellung einer weißen Taube oder die Geschichten über weiße Zauberer und Hexen.
Weiß kann man aber nicht nur sehen sondern auch hören und riechen. Wer kennt nicht das enervierende Rauschen im Radio? In der Akustik ist das unter „Weißes Rauschen“ bekannt. So wie die Farbe Weiß durch die Summe aller Farben entsteht, so setzt sich das „Weiße Rauschen“ aus allen Frequenzen des hörbaren Bereichs zusammen (also von etwa 16 Hz bis 20 kHz) In ihm sind alle Frequenzen mit gleicher Amplitude, d.h. dem gleichen Lautstärkepegel, enthalten.
Forscher haben nun auch herausgefunden, dass man auch einen Geruch schaffen kann, der dem Konzept von „Weiß“ entspricht. Die Forscher wählten dazu 86 monomolekulare Duftstoffe aus und begannen, immer mehr Einzelkomponenten zusammenzumischen. Dabei stellte sich heraus, dass Mischungen, die aus mehr als 30 einzelnen Duftstoffen bestanden, immer ähnlicher rochen – selbst dann, wenn für die Mixtur unterschiedliche Komponenten verwendet wurden. Voraussetzung das dass klappt ist, dass die Duftstoffe über das gesamte Spektrum verteilt sind und die gleiche Duftintensität aufweisen (Quelle: science.orf.at).